Die Pioniere des Seilbahnwesens

Die Seilbahn als Transportmittel hat die Bergwelt im Laufe der Jahre stark geprägt. Sie brachte sowohl Komfort als auch Herausforderungen für Planer, Ingenieure, Geschäftsleute und Fahrgäste mit sich, da oft unwegsames Gelände erschlossen werden musste. Doch gerade diese Herausforderungen führten zu genialen Lösungen und technischen Meisterleistungen, die bis heute unseren Alltag und das Leben am Berg verändern.

 

Viele Gesichter haben dazu beigetragen, die Seilbahn zu dem zu machen, was sie heute ist: ein schnelles, sicheres und komfortables Verkehrsmittel. Nicht alle diese Pioniere haben die Anerkennung und Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdienen. Nachfolgend sind einige Pioniere aufgelistet, auch stellvertretend für all jene, die nicht genannt wurden, aber eine große Rolle in der Geschichte der Seilbahn gespielt haben.

 

Artur Doppelmayr

Artur Doppelmayr

Liftsysteme mit beweglichen oder ‘schwimmenden‘ Gletscherstützen,

der Bruchstabschalter, durch den eine Stilllegung des Streckenstromkreises zu Sicherheitszwecken vereinfacht wurde, Sitzheizungen für Sessellifte oder als „Bubbles“ bekannte, panoramaverglaste Wetterschutzhauben — Meilensteine der Seilbahntechnik, die auf den Unternehmer, Techniker und Ingenieur Artur Doppelmayr zurückgehen.

 

Der Vorarlberger Seilbahnpionier wird 1922 in Dornbirn als Sohn von Melitta und Emil Doppelmayr geboren. Mit 19 muss er einrücken; aus der Kriegsgefangenschaft kehrt er erst im November 1945 zurück. An der Technischen Universität Graz schließt er 1954 das Studium Wirtschaftsingenieurwesen und Maschinenbau ab und tritt ein Jahr später in die von seinem Großvater gegründete Firma ein. Dieser hatte sich Ende des 19. Jahrhunderts mit einer Schmiede selbstständig gemacht, und sich auf die Erzeugung von Spindel- und Hydraulikpressen, Turbinen und Holzbearbeitungsmaschinen spezialisiert.

 

Als Vater Emil 1928 die Geschäftsleitung übernimmt, vertraut er auf neue Ideen und forciert die Konstruktion von Aufzügen. 1937 baut er gemeinsam mit Ing. Sepp Bildstein den ersten Schlepplift Österreichs in Zürs. Auch Artur setzt auf Innovation und treibt die Entwicklung seilbahnbetriebener Systeme sowie den Ausbau des Exportgeschäfts voran. Er schafft es, das Familienunternehmen in wenigen Jahren zum Weltmarktführer im Seilbahnbau zu machen. Heute finden sich zahlreiche Bahnen der von Sohn Michael (Stand 2021) geführten Doppelmayr/Garaventa-Gruppe auf der ganzen Welt.

 

Gabriel und Ernst Leitner

Als Mann voll von Tatkraft, andauernder Schaffensfreude, [und] Pionier der Arbeit‘ (Meraner Zeitung vom 2. Januar 1926) wird der 1857 geborene Firmengründer Gabriel Leitner in einem Nachruf gewürdigt. Die beschriebene Schaffensfreude lässt sich auch in seinen zahlreichen mechanischen Erfindungen, technischen Errungenschaften und Konstruktionen erkennen. So beginnt Gabriel schon früh, landwirtschaftliche Maschinen, Mühlen oder Wasserturbinen zu bauen,bis er schließlich im Jahr 1888 seine eigene Firma gründet.

Seine Neugier beschränkt sich nicht nur auf den landwirtschaftlichen Bereich. Ihn scheint der generelle Wunsch anzutreiben, Produktionsprozesse sowie Vorgänge des alltäglichen Lebens zu optimieren. In Sterzing ersetzt er den Dampfbetrieb einer Molkerei mit einem Elektromotor und schafft es so, Kohle einzusparen. In Telfes errichtet er eine Drahtseilbahn zur täglichen Milchbeförderung samt Elektrizitätswerk, welches auch die umliegenden Dörfer mit Strom versorgt, und im Jahr 1908 ist er am Bau der Kohlererbahn, der ersten Personenseilbahn der Welt, beteiligt.

Sohn Ernst steigt nach dem Maschinenbaustudium in den väterlichen Betrieb ein und treibt die Seilbahnproduktion weiter voran. Im Auftrag Erich Kostners wird zusammen mit Karl Hölzl 1947 am Col Alto in Corvara eine Einer-Sesselbahn verwirklicht. Daraufhin folgen bald Projekte in ganz Italien, Österreich und Deutschland. Durch Ernst, aber auch durch seine Söhne Kurt und Ernst jr. werden die Dolomiten durch Lift-und Seilbahnanlagen erschlossen, und auch bei der Entdeckung der Seilbahn als städtisches Transportsystem betreten sie Neuland. In vielen südamerikanischen Metropolen fungiert die urbane Seilbahn heute effizient als Lösung für Verkehrs- und Transportprobleme.

 

Calculations

Gabriel Leitner © Leitner

Ernst Leitner © Leitner

Luis Zuegg

Luis Zuegg

Der Erfinder, Geschäftsmann und Vater der modernen Seilbahntechnik, Luis Zuegg, wird 1876 in Lana geboren. Bereits als junger Ingenieur baut er in der Gaulschlucht in Lana ein Elektrizitätswerk und die Straßenbahn Lana-Meran. Auch gründet er 1908 eine Kartonagenfabrik in Lana, in der Abfallholz zu Pappe verarbeitet wird. Das Holz wird aus dem umliegenden, unwegsamen Gelände mit Materialseilbahnen zu Tal befördert. Als die Schwebebahn Lana-Vigiljoch aufgrund von Sicherheitsmängeln und des Todes des Projektanten Emil Strub nicht vollendet werden kann, springt Zuegg ein, und führt dank seines Fachwissens das Projekt 1912 erfolgreich zu Ende.

 

Im Ersten Weltkrieg macht sich Zuegg als Landsturm-Ingenieur einen Namen. Er errichtet eine Seilbahn von Sexten auf den Helm, und kann trotz eines zu kurzen Tragseiles dank einer strafferen Seilspannung die Bahn fertigstellen. Zuegg beweist dadurch, was er schon lange vermutet hat: eine straffere Spannung verlängert die Lebensdauer der Seile, ermöglicht größere Spannweiten und erhöht die Fahrgeschwindigkeit.

 

Weitere Neuerungen sind in den nächsten Jahren die automatische Kabinenbremse, bei der die Gondel bei Entlastung des Zugseiles an das Tragseil festgeklemmt wird, sowie das Telefon in den Gondeln. Dabei werden das geerdete Tragseil und das isolierte Zugseil als Leiter zur Nachrichtenübermittlung von der Kabine zu der Berg- oder Talstation verwendet. Bald arbeitet Luis Zuegg mit der Firma der Brüder Bleichert zusammen und baut weltweit Bahnen nach dem inzwischen patentierten „Bleichert- Zuegg-System”.


Max und Paul von Bleichert

Adolf Bleichert, der Vater von Max und Paul, baut schon 1874 zusammen mit seinem Studienfreund Theodor Otto erfolgreich Materialseilbahnen. 1881 gründet er in Leipzig-Gohlis die „Adolf Bleichert & Co.“ Gesellschaft, eine auf Drahtseilbahnen spezialisierte Firma, welche bis zu seinem Tod im Jahr 1901 über tausend Seilbahnprojekte verwirklicht. Seine Söhne führen das Unternehmen erfolgreich weiter. Max treibt die technische Forschung und die Produktion voran, während sich Paul um den unternehmerischen Teil, sowie um die Sozialpolitik der Firma kümmert.

 

Zwischen 1910 und 1913 wirken sie beim Bau der zweiten Kohlererbahn mit, indem sie die neuen, damals von der Aufsichtsbehörde erlassenen Sicherheitsvorkehrungen umsetzen. Daraufhin bauen sie weltweit Material- und Personenseilbahnen, bis sie während des Ersten Weltkrieges ihre Produktion umstellen müssen. Nun werden Munition und Feldseilbahnen hergestellt, welche nicht nur zu Versorgungszwecken dienen, sondern auch Verletzte aus dem Gefechtsfeld transportieren.

 

In den Folgejahren muss sich Paul aus gesundheitlichen Gründen aus dem Arbeitsleben zurückziehen, und die Firma bleibt auch von äußeren Faktoren nicht unberührt: verstärkte Konkurrenz sowie die Weltwirtschaftskrise fordern ihren Tribut. Max droht Ende der 1920er Jahre die Insolvenz und so kann das Unternehmen nicht mehr als Familiengesellschaft geführt werden. In der weiteren Zeit erfährt das Unternehmen viel Wandel und existiert heute als solches nicht mehr — doch erinnern Bleichert-Straßen in Leipzig und Berlin an die Pionierleistungen der Familie Bleichert.

 

Sketch of the safety coupling assembly

Max von Bleichert

Paul von Bleichert

Die Texte beruhen auf den Recherchen von Wittfrida Mitterer und Norbert Mumelter. Weitere Informationen finden Sie im Tecneum, Kuratorium für Technische Kulturgüter.

 

Bildnachweis: Amt für Seilbahnen Bozen | Ufficio Funivie Bolzano