Die Geschichte der Seilbahn
Materialseilbahnen aus Hanfseilen wurden bereits in der Antike zur Überwindung von Schluchten und Flüssen eingesetzt. Auch aus dem Mittelalter gibt es Beschreibungen von ähnlichen Anlagen, die vor allem zur Belagerung von Festungen und für andere militärische Zwecke gebaut wurden. Seilbahnen für den Personenbetrieb waren jedoch noch nie offiziell genehmigt worden und stellten daher eine gewisse Schwierigkeit dar.
Dennoch war der Gastwirt Josef Staffler fest entschlossen, eine schnelle und einfache Möglichkeit zu finden, wie Gäste sein Gasthaus in Kohlern erreichen konnten. Nach vielen Rückschlägen und Verzögerungen wurde Stafflers Seilbahn 1908 offiziell genehmigt. Stafflers Unternehmertum ebnete damit den Weg für neue Wege der Beförderung im alpinen Raum.
Die Gründerjahre
1859 brachte der Beginn des Eisenbahnzeitalters für die lokale Wirtschaft tiefgreifende Veränderungen mit sich. Über Nacht hatte sich die Zeit-Raum- Relation verändert; mit der Eisenbahn schrumpften die Distanzen, die Fahrzeiten reduzierten sich um ein Vielfaches und für den Tourismus und den Export heimischer Güter eröffneten sich völlig neue Perspektiven.
1895 wurde Julius Perathoner zum Bürgermeister von Bozen gewählt. Er sollte das Amt 27 Jahre lang ausüben, ehe er von den Faschisten abgesetzt wurde. Sein Programm setzte auf Modernisierung und sah den Bau von Schulen, Straßen, Promenaden und Brücken vor sowie die Elektrifizierung der Straßenbeleuchtung. Diese Veränderungen wurden durch den Bau eines großen Wasserkraftwerks auf der Töll oberhalb von Meran 1898 ermöglicht.
Bozen zählte zu Beginn des 20. Jahrhunderts knapp 12.000 Einwohner und der Tourismus florierte. Gries und auch Zwölfmalgreien waren damals eigenständige Gemeinden. Besonders Gries war bei zahlungskräftigen internationalen Gästen als Kurort während der Wintermonate beliebt. Königin Therese von Bayern und Herzog Franz von Österreich Este Modena schätzten die sonnige und angenehm windgeschützte Lage ebenso sehr wie russische Aristokraten.
1898 nahm dann die 15 Kilometer lange Dampfeisenbahn von Bozen nach Kaltern ihren Betrieb auf und ebnete damit den Weg für die erste große Bergbahn im Raum Bozen: die Standseilbahn von der Fraktion St. Anton auf die Mendel.
Materialtransport
Einfache Seilzüge aus Hanfseilen wurden bereits in der Antike zur Überwindung von Schluchten und Flüssen gebaut. Auch aus dem Mittelalter liegen Schilderungen seilbahnähnlicher Anlagen vor, die vor allem bei der Belagerung von Festungsanlagen und für militärische Zwecke genutzt wurden. Die Entwicklung des Seilbahnwesens im heutigen Sinne fällt in die Zeit der Erfindung des Drahtseiles Anfang des 19. Jahrhunderts. Zunächst wurden hauptsächlich in den USA Materialseilbahnen für Bergwerke gebaut.
Ab 1874 produzierte der Leipziger Adolf Bleichert auch in Europa Drahtseilbahnen in Serie. Die Jahresproduktion erreichte mit 345 ausgelieferten Drahtseilbahnen im Jahr 1900 ihren Höhepunkt, ein Jahr bevor Adolf Bleichert starb und seine Söhne Max und Paul den Betrieb übernahmen. Sie lieferten bald weltweit Bahnen und sorgten für Schlagzeilen, als sie 1905 in Argentinien eine 34 Kilometer lange Materialseilbahn bauten, die einen Höhenunterschied von 3.528 Metern überwand. Diese Seilbahn war zwar nur für Material konzipiert, doch gab es in beschränktem Umfang auch Personentransporte. Es wurden allerdings nur Mitarbeiter der Seilbahn transportiert und dies geschah auf alleiniger Verantwortung des Seilbahnbetreibers, ohne gesetzliche Genehmigung oder staatliche Vorschriften.
Der Pionier
Der Bozner Gastwirt Josef Staffler (*17. März 1846) kaufte 1899 den Uhlenhof in Bauernkohlern. Dazu gehörten Wälder, eine Kapelle sowie ein Herrenhaus in wunderbarer Aussichtslage, welches Staffler zum Höhengasthof umbauen ließ. Aber wie sollten seine Gäste von Bozen aus die 900 Höhenmeter bewältigen? Zur Wahl standen ein zweistündiger Fußmarsch oder ein anstrengender Transport auf holprigem Karrenweg.
So kamen Staffler erste Ideen für eine elektrische Seilbahn, doch alles war zu kostspielig. Also wandte er sich dem Plan eines „elektrisch betriebenen Drahtseilaufzugs“ zu; ein Projekt, das bezahlbar und technisch möglich erschien. Doch „im Hinblick auf das nicht Vorhandensein eines Gleises am Boden“ war die Bahn im technischen Sinne keine Eisenbahn — so zumindest die Erklärung aus Wien — und damit nicht Teil des Zuständigkeitsbereichs des k. u. k. Eisenbahnministeriums.
Immerhin erhielt Staffler nach der Kommissionierung seines Projekts im Juni 1905 von der Bezirkshauptmannschaft Bozen die Genehmigung zum Bau eines Drahtseilaufzugs für Materialtransporte, der ein Jahr später kollaudiert wurde. Der Drahtseilaufzug wurde teilweise so niedrig geführt, dass man nahe der Talstation leicht in die Transportkiste hinein- und herausspringen konnte. Nach ersten Unterbindungsversuchen versuchte Staffler erneut eine offizielle Genehmigung für den Personenverkehr zu erhalten und konnte so — nachdem er seine Seilbahn mit neuen Sicherheitsvorkehrungen für Passagiere ausgestattet hatte — am 29. Juni 1908 die erste für den Personentransport zugelassene Bergschwebebahn der Welt in Betrieb nehmen.
Das Gewicht
Die Gondeln der ersten Kohlererbahn verdienen eine besondere Erwähnung. Ihre fast einem Kutschkasten ähnliche Bauweise ist für den Fahrgästeverkehr durch die Luft zunächst bezeichnend. Den Übergang zur Metallkabine markierte, noch im selben Sommer, der Wetterhornaufzug bei Grindelwald in der Schweiz. Nach der Erinnerung der Enkel von Josef Staffler war die erste Kohlererbahn eigentlich schon 1907 fertiggestellt, aber die Behörde hatte damals die Gondeln aus Sicherheitsgründen nicht genehmigt. Daraufhin baute die Simmeringer Waggonfabrik in Wien neue Gondeln, aber auch diese entsprachen nicht. Die Wiener Gondeln waren so massiv, dass jede von ihnen 400 bis 500 Kilo wog und zudem ihre talseitige Unterkante an den Querbalken der Seilbahnständer, die von der Materialbahn übernommen waren, hängen blieb.
Nun kontaktierte Staffler den Wagnermeister Thomas Peer aus Terlan. Dieser hatte in seinen Lehr- und Wanderjahren unter anderem auch den Kutschenbau erlernt und fertigte nun quasi in Kutschenbauweise zwei leichte Gondeln an, deren Dach nur aus einer Plache bestand. Mitte Juni lieferte Peer sein Werk ab; die Zollwaage am Nordende der Eisackbrücke zeigte 195 kg für jede Gondel. Mit Ziegelsteinen vollgeladen meistern sie eine erfolgreiche, wenn auch zunächst etwas dramatisch aussehende Probefahrt.
(aus der Broschüre Die erste Bergschwebebahn der Welt Bozen—Kohlern, herausgegeben vom Heimatschutzverein Bozen im Jahr 1983, Verfasser: Norbert Mumelter)
Die Sicherheit
Zwei Jahre lang blieb die erste Kohlererbahn in Betrieb. Aus nah und fern strömten Neugierige herbei, um eine Fahrt zu wagen. Über 100.000 Personen wurden in dieser Zeit unfallfrei befördert und doch musste der Betrieb im Oktober 1910 eingestellt werden, da die Aufsichtsbehörden neue Bestimmungen erlassen hatten. Gefordert wurde jetzt eine Seilbahn mit Pendelbetrieb, doppelten Trag- und Zugseilen sowie Fangbremsen an den Gondeln. Die Seilsicherheit sollte im Gegensatz zu Materialseilbahnen eine fünffache sein.
Die Firma Bleichert erklärte sich bereit, alle Sicherheitsvorkehrungen zu erfüllen. Die neue Talstation befand sich jetzt ungefähr 150 Meter tiefer, der Entwurf stammte vom Münchner Architekten August Fingerle (1854-1949). Auch entschied sich Staffler, nun deutlich größere Kabinen in Auftrag zu geben, um die Stundenleistung der Bahn zu erhöhen.
Das k. u. k. Eisenbahnministerium in Wien betrachtete die Kohlererbahn inzwischen als eine Art Testanlage für die Erarbeitung der „Vorschriften für den Bau der dem öffentlichen Personenverkehr dienenden Schwebebahnen“. Alle hier gemachten Erfahrungen wurden bei der Formulierung der neuen Zulassungsbestimmungen berücksichtigt. So ordnete das Ministerium zum Beispiel nicht weniger als 96 Fangversuche und Spannungsmessungen an.
Weltweit verkehrten damals neben der zweiten Kohlererbahn lediglich drei weitere Personen-Seilschwebebahnen: der Wetterhornaufzug in Grindelwald (1908) in der Schweiz, die erste Vigiljoch-Bahn bei Lana (1912) und die Seilbahn auf den Zuckerhut in Rio de Janeiro (1912).
Zwei Weltkriege
Knapp zwei Jahre nach der Eröffnung zeichneten sich für die zweite Kohlererbahn zunehmend Probleme ab, denn als Italien 1915 Österreich den Krieg erklärte, mussten auch die Bediensteten der Bahn mitsamt dem damals unersetzlichen Maschinisten einrücken. Am 2. Juni 1915 verfügte der Stadtmagistrat Bozen die Schließung der Bahn bis zur Einstellung eines neuen Betriebsleiters. Staffler ließ die Bahn jedoch trotzdem fahren und erhielt 1917 eine erste Verwarnung.
Als es am 9. Juli 1918 zu einem Unfall mit Personenschaden kam, schritt der Statthalter von Tirol und Vorarlberg ein und verfügte erneut die Schließung der Bahn. Staffler bat um Wiederaufnahme des Frachtenverkehrs und verwies darauf, dass die Bahn von 1917 bis Juni 1918 nicht weniger als 3.000 Kubikmeter Holz für das Stadtspital, die Stadtgemeinde und die Soldatenspitäler von Kohlern nach Bozen befördert hatte. Auch lägen noch einige tausend Kubikmeter Holz zum Abtransport bereit. Am 20. August 1918 wurde daraufhin schließlich der Betrieb von unbegleiteten Lastförderwagen genehmigt.
Nach dem Ersten Weltkrieg durfte die Bahn auch wieder Personen befördern und Kohlern wurde vor allem von heimischen Gästen und Sommerfrischlern besucht. Während des fünften großen Luftangriffs der Alliierten auf Bozen am 25. Dezember 1943 wurde die Talstation allerdings schwer beschädigt. Der Zweite Weltkrieg beendete somit vorerst den Seilbahntransport, bis dann im Jahr 1965 die dritte Kohlererbahn ihren Betrieb aufnahm.
»Als im Mai 1945 der Zweite Weltkrieg zu Ende war, lagen auf dem Titschen — wie in einem Frontgebiet — noch jahrelang Stahlhelme.«
Die Texte beruhen auf den Recherchen von Wittfrida Mitterer und Norbert Mumelter. Weitere Informationen finden Sie im Tecneum, Kuratorium für Technische Kulturgüter.
Bildnachweis: Amt für Seilbahnen Bozen | Ufficio Funivie Bolzano